Zum Inhalt springen

Data-Storytelling im sozialen Bereich: Mit Geschichten Herzen und Spenden gewinnen

In einer Zeit des stetig wachsenden Überangebots an medialen Informationsangeboten stehen soziale Organisationen vor einer enormen Herausforderung: Wie können wir mit unseren Botschaften die Herzen der Menschen erreichen und sie zum Handeln bewegen, über soziale Themen seriös informieren und Vertrauen in uns als Organisation schaffen? Data-Storytelling Experte Jörg Hoewner erklärt, wie gute Datengeschichten gelingen.


24. 05. 2024

Traditionelle Kommunikationsstrategien und -formate stoßen dabei schnell an ihre Grenzen: Statistiken und Zahlenreihen berühren niemanden. Geschichten herzerweichender Einzelschicksale reihen sich ein in die Drama-Ökonomie der sozialen Medien – und gehen darin unter. Eine Möglichkeit, zwischen Daten und Emotionen eine Brücke zu schlagen, um Botschaften wirkungsvoll, glaubwürdig und aktivierend zu vermitteln, bietet Data Storytelling.

Data Storytelling als Brücke zwischen Information und Emotion

Data Storytelling kombiniert Daten mit einer ansprechenden visuellen Darstellung und einer erzählerischen Struktur, um komplexe Zusammenhänge und Informationen verständlich und emotional ansprechend zu vermitteln. Indem Daten in eine gut erzählte Geschichte eingebettet werden, erzeugen sie eine Resonanz beim Publikum, die dazu beitragen kann, dass Menschen sich für eine bestimmte Sache engagieren oder sie unterstützen. Drei Faktoren sind maßgeblich dafür, eine gute Data Story zu erzählen, die Menschen erreicht und zum Handeln motiviert.

  1. Datenauswahl und -analyse: Jedes erfolgreiches Data-Storytelling-Projekt beginnt mit der Auswahl, Analyse und Aufbereitung relevanter Daten. Sie bilden das Rückgrat der Data Story und sollten so ausgewählt werden, dass sie die Botschaft der Geschichte stützen. Das setzt wiederum voraus, vorab die Kernaussagen klar zu definieren. Data Stories, die auf der Basis interner Daten der Organisation selbst entwickelt werden, bieten darüber hinaus die Möglichkeit, originelle Einblicke zu vermitteln – Stichwort Transparenz – und mit unerwarteten, ungewöhnlichen (Insider-) Perspektiven Aufmerksamkeit zu erregen. Nicht nur organisationsinterne Daten können dabei verwendet werden, sondern auch öffentlich zugängliche Daten – von Behörden, Verwaltungen, wissenschaftlichen Einrichtungen oder Statistikämtern. Wichtig ist, dass aus den Daten Aussagen hergeleitet werden können, die die eigenen Botschaften stützen.
  2. Visuelle Aufbereitung: Die visuelle Darstellung spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, abstrakte Datenmengen greifbar zu machen. Diagramme, Grafiken, Karten und interaktive Visualisierungen helfen, komplexe Sachverhalte schnell zu erfassen und Zusammenhänge zu erkennen. Die Nielsen Norman Group, eine renommierte Forschungsgruppe im Bereich der Benutzererfahrung, hat festgestellt, dass visuelle Elemente wie Grafiken und Diagramme die Aufmerksamkeit der Benutzer besser erfassen und ihre Verweildauer auf einer Webseite erhöhen. Interaktive Elemente wie animierte Visualisierungen oder interaktive Dashboards können zusätzlich für stärkeres Engagement sorgen, indem sie es erlauben, tiefer und aktiv in die Daten einzutauchen. In der Bildungs- und E-Learning-Branche haben Studien deutlich gezeigt, dass interaktive Visualisierungen das Lernen effektiver gestalten können, weil sie eine aktive Auseinandersetzung mit dem Material fördern. Die Intensität, mit der sich Nutzer mit den Inhalten auseinandersetzen, übersteigt bei weitem die übliche Text-Foto-Kombination.
  3. Narrative Struktur: Daten allein erzählen keine Geschichte. Erst durch die Einbettung in einen narrativen Kontext erhalten sie emotionale Relevanz und werden für das Publikum greifbar. Data Stories weisen Daten Bedeutung und Kontext zu. Dadurch werden Zusammenhänge zwischen den einzelnen Informationen erkennbar und aus Zahlen werden nutzbare Erkenntnisse. Das heißt, die Geschichte sollte erklären, warum die präsentierten Daten wichtig sind und welche Auswirkungen sie haben. Es sind dabei vor allem Geschichten mit menschlichen Protagonisten, die Emotionen wecken und eine persönliche Verbindung zum Thema schaffen, Empathie und Hilfsbereitschaft hervorrufen.

Data Storytelling verkürzt den Weg vom Wissen zum Handeln – und Spenden

Zu den bekanntesten Beispielen für gutes Data Storytelling zählt der Jahresbericht 2023 von Unicef: In diesem Bericht nutzt UNICEF Daten und Geschichten, um die Situation von Kindern weltweit zu beleuchten. Anstatt nur trockene Statistiken zu präsentieren, werden die Daten mit persönlichen Geschichten von Kindern und Familien verbunden, die von den vorgestellten Themen betroffen sind. Durch die Integration von Bildern, Videos und Berichten aus erster Hand gelingt es UNICEF, eine starke emotionale Verbindung zu den Lesern herzustellen und das Ausmaß der Herausforderungen, denen Kinder weltweit gegenüberstehen, anschaulich darzustellen. Dies wiederum ermöglicht es den Lesern, die komplexen Zusammenhänge besser zu verstehen und sich stärker mit den vorgestellten Themen zu identifizieren.

Data Stories verdeutlichen nicht nur Probleme, sondern zeigen auch Handlungsmöglichkeiten auf und motivieren zu (höherem) Engagement, wie eine Fallstudie der Wohltätigkeitsorganisation Charity: Water gezeigt hat. Sie verfolgt das Ziel, sauberes Wasser für Menschen in Entwicklungsländern bereitzustellen. Anstatt dafür einfach nur statistische Informationen über den Wasserbedarf in Entwicklungsländern zu liefern, hat Charity: Water konkrete Geschichten von Menschen erzählt, deren Leben sich durch den Zugang zu sauberem Wasser drastisch verbessert hat. Diese Geschichten wurden durch Fotos, Videos und persönliche Berichte ergänzt.

Schritt für Schritt

Wie geht man jetzt bei der Entwicklung einer Data Story vor? Die folgenden Schritte haben sich dabei bewährt:

  1. Die Entwicklung einer ersten Storyidee – ausgehend von den eigenen Zielen und von der avisierten Zielgruppe
  2. Der Datenerhebung (bzw. Sammlung oder Beschaffung) und -aufbereitung
  3. Der Exploration der Daten und einer ersten Hypothesenbildung (was steckt als Story möglicherweise drin?)
  4. Herausarbeiten der Insights
  5. Entwicklung der Storyidee und Storyline
  6. Ausarbeitung als Konzept, d.h. auch der Frage, wie die Story aufbereitet, formatiert und präsentiert werden soll
  7. Produktion der narrativen Elemente, von der Recherche, über die Interviewführung bis hin zur Erstellung von Bildern oder Videomaterial
  8. Programmierung bzw. Umsetzung der Datenvisualisierungen
  9. Zusammenführen der einzelnen Elemente
  10.  Vermarktung, d.h. eine begleitende Kommunikation über Social Media und andere Kanäle.

Gerade beim letzten Punkt zeigt sich ein weiterer Vorteil von Data Storytelling, da das Format aufmerksamkeitsstark ist und lange nachwirkt bzw. für Sichtbarkeit zeugt.

 

Fazit

Gute Geschichten haben die Kraft, Emotionen zu wecken und Menschen zu berühren. Indem Daten in Geschichten eingebettet werden, können sie auf glaubwürdige Weise dazu beitragen, das Bewusstsein für soziale Probleme schärfen, Unterstützung zu mobilisieren und Veränderungen herbeizuführen. Data Storytelling ist ein geeignetes Werkzeug, um speziell im sozialen Bereich komplexe Themen emotional ansprechend und wirkungsvoll zu kommunizieren – ein Werkzeug, das bisher noch viel zu selten genutzt wird.

 

Zum Autor: Jörg Hoewner ist Geschäftsführender Partner der K12 Agentur für Kommunikation und Innovation und arbeitet als Berater zu Themen rund um den Einsatz von Technologien in der Kommunikation. Zu seinen Kunden zählen große und mittelständische Unternehmen sowie Verbände und Behörden. Ein Schwerpunkt dabei ist der Einsatz von Daten in der Kommunikation, sowohl als Grundlage für die Planung und Erstellung von Content und als Content selbst.


Autor*in

JOERG_068_end_3c Kopie

Jörg Hoewner (er/ihn)

Geschäftsführender Partner der Agentur K12 (Düsseldorf)