KI-Washing: Eine kritische Betrachtung
Webgeograph und Digitalberater Damian Padera erklärte in einem Civic Data Lab Espresso-Talk Hintergründe, Dimensionen und Auswirkungen des Phänomens.
Die Digitalisierung macht auch vor dem sozialen Sektor nicht Halt. Eine aktuelle Studie von Prof. Helmut Kreidenweis und Maria Diepold (MA) von der Universität Eichstätt-Ingolstadt, Fachbereich Sozialinformatik, beleuchtet den Stand der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Sozialwirtschaft und bietet spannende Einblicke in die Chancen und Herausforderungen dieser technologischen Entwicklung. Die Ergebnisse zeigen eine Branche, die sich im Umbruch befindet und sich zwischen vorsichtigen ersten Schritten und weitreichenden Visionen bewegt. Wir haben uns die Studie für Euch mal näher angeschaut!
Die Implementierung von KI in der Sozialwirtschaft steht noch am Anfang. Viele Organisationen experimentieren bereits mit KI-Tools wie ChatGPT oder DALL-E, die etwa bei der Textgenerierung oder Bildbearbeitung eingesetzt werden. Doch vollumfängliche, tiefgreifende KI-Lösungen sind bisher eher die Ausnahme. Eine bemerkenswerte Beobachtung der Studie zeigt, dass oft die mittlere Führungsebene besser über die Möglichkeiten und Grenzen von KI-Technologien informiert ist als die Geschäftsführung. Dies deutet darauf hin, dass Innovationen und digitale Veränderungen im Sozialsektor oftmals von der operativen Ebene aus vorangetrieben werden. Die Geschäftsleitungen zögern häufig, weitreichende technologische Neuerungen zu implementieren, während das mittlere Management bereits intensiv über den Einsatz solcher Technologien nachdenkt.
KI hat in der Sozialwirtschaft vor allem in administrativen Prozessen Fuß gefasst. So werden Chatbots beispielsweise genutzt, um Standardanfragen von Klient*innen zu beantworten, was die Mitarbeitenden entlastet und effizientere Abläufe ermöglicht. In der Rechnungsbearbeitung kommen KI-gestützte Systeme zum Einsatz, um Arbeitsprozesse zu optimieren und Fehler zu minimieren. In der direkten Arbeit mit Klient*innen hingegen ist der Einsatz von KI bislang noch sehr begrenzt. Dabei sehen viele Organisationen gerade in diesem Bereich enormes Potenzial für die Zukunft. Automatisierte Systeme könnten in der Lage sein, eine individuellere Betreuung von Klient*innen zu unterstützen und Fachkräfte von Routineaufgaben zu entlasten, sodass sie sich stärker auf persönliche und komplexere Anliegen konzentrieren können.
Die Studie zeichnet ein differenziertes Bild der Erwartungen an KI in der Sozialwirtschaft. Auf der einen Seite bieten KI-Systeme die Möglichkeit, bestehende Prozesse deutlich zu verbessern. Sie können das Fachpersonal von zeitintensiven, repetitiven Aufgaben entlasten und so Kapazitäten für anspruchsvollere Tätigkeiten freisetzen. Zudem ermöglichen datengestützte Prognosemodelle eine bessere Betreuung von Klient*innen, indem sie gezielt Informationen analysieren und mögliche Entwicklungen vorhersehen. Auch in der Ressourcennutzung, insbesondere im Personalmanagement, kann KI helfen, effiziente Lösungen zu finden und Engpässe zu minimieren. Automatisierte Überprüfungssysteme erhöhen außerdem die Qualitätssicherung, indem sie routinemäßige Kontrollen durchführen und potenzielle Fehler schneller identifizieren.
Auf der anderen Seite bringt der Einsatz von KI auch erhebliche Herausforderungen mit sich. Besonders der Datenschutz stellt im sozialen Bereich, wo mit sensiblen Klientendaten gearbeitet wird, eine große Hürde dar. Die Nutzung von KI erfordert sorgfältige Überlegungen zum Schutz dieser Daten, um die Privatsphäre der Betroffenen zu gewährleisten. Ein weiteres Problem ist das Risiko von Diskriminierung durch algorithmische Vorurteile. KI-Systeme können nur so objektiv sein wie die Daten, mit denen sie gefüttert werden – und wenn diese Daten gesellschaftliche Vorurteile oder Ungleichheiten widerspiegeln, kann dies auch in den Ergebnissen der KI zum Ausdruck kommen. Schließlich gibt es auch Bedenken bezüglich der Zuverlässigkeit automatisierter Entscheidungsprozesse. Insbesondere in der Sozialarbeit, wo menschliche Empathie und Urteilsfähigkeit von zentraler Bedeutung sind, ist es fraglich, ob KI-gestützte Systeme in allen Fällen die nötige Sensibilität mitbringen.
Die Softwarebranche hat das Potenzial von KI für die Sozialwirtschaft übrigens längst erkannt. Erste Anwendungen, insbesondere in Bereichen wie Texterkennung und betriebswirtschaftlichen Analysen, sind bereits verfügbar. Diese Lösungen helfen, administrative Prozesse zu automatisieren und so Arbeitsabläufe zu verbessern. KI-Lösungen, die direkt in der Arbeit mit Klient*innen eingesetzt werden, sind hingegen noch selten. Dies liegt auch daran, dass viele offene Fragen bestehen, etwa zur Haftung bei Fehlentscheidungen oder zur Akzeptanz von KI-gestützten Prozessen durch die Endnutzer*innen. Dennoch arbeitet die Branche kontinuierlich daran, neue, innovative und zugleich ethisch vertretbare Lösungen zu entwickeln, die langfristig in der Sozialwirtschaft Anwendung finden könnten.
Um den erfolgreichen Einsatz von KI in der Sozialwirtschaft sicherzustellen, haben die Autor*innen der Studie zentrale Handlungsfelder identifiziert. Ein wichtiges Element ist die systematische Weiterbildung auf allen Hierarchieebenen. Nur durch gezielte Schulungen können Mitarbeitende die Möglichkeiten und Risiken von KI-Technologien richtig einschätzen und deren Potenzial effektiv nutzen. Eine weitere zentrale Voraussetzung ist die Entwicklung klarer ethischer Leitlinien. Der Einsatz von KI im sozialen Bereich erfordert besondere Sensibilität, um den Schutz der Klient*innen zu gewährleisten und Missbrauch oder Diskriminierung zu verhindern. Auch Kooperationen zwischen Sozialorganisationen und Tech-Anbietern spielen eine Schlüsselrolle. Durch gemeinsame Pilotprojekte können praxisnahe Lösungen entwickelt und getestet werden, die den spezifischen Anforderungen der Sozialwirtschaft gerecht werden.
Die Herausforderung besteht darin, KI so einzusetzen, dass sie den Menschen dient – nicht umgekehrt. Der Erfolg der Digitalisierung im sozialen Sektor hängt davon ab, wie gut es gelingt, eine Balance zwischen technologischem Fortschritt und menschlicher Verantwortung zu finden. Dabei darf der Fortschritt nicht zulasten der zwischenmenschlichen Aspekte sozialer Arbeit gehen. Denn trotz aller technologischen Hilfsmittel bleibt der persönliche Kontakt und das empathische Verständnis ein unverzichtbarer Bestandteil der sozialen Arbeit.
Die Studie macht deutlich, dass die digitale Transformation der Sozialwirtschaft gerade erst begonnen hat. Mit der richtigen Mischung aus Mut zur Innovation und kritischer Reflexion kann KI zu einem wertvollen Werkzeug werden, das die Qualität der sozialen Arbeit nachhaltig verbessert. Die Entwicklung und Implementierung von KI birgt zweifellos Herausforderungen, aber sie bietet auch die Chance, Prozesse zu optimieren und den Menschen, die auf die Unterstützung der Sozialwirtschaft angewiesen sind, eine noch bessere Betreuung zukommen zu lassen.
Der Schlüssel für eine erfolgreiche digitale Zukunft in der Sozialwirtschaft liegt darin, die vorhandenen Chancen zu erkennen und gleichzeitig verantwortungsbewusst zu handeln. Die Digitalisierung bietet enorme Möglichkeiten, doch es ist entscheidend, dass der Weg dorthin mit Bedacht gestaltet wird und die handelnden Personen in den Organisationen mitzunehmen, um den menschlichen Kern der sozialen Arbeit zu bewahren und zu stärken.