Zum Inhalt springen

Datenmanagement bei NGOs (Teil 1): Die Herausforderung der weltweiten Datenübertragung

In dieser zweiteiligen Serie beleuchten wir ein innovatives Datenvorhaben von Terre des Hommes e.V. in Zusammenarbeit mit dem Civic Data Lab und Futurice GmbH. Die internationale Hilfsorganisation stand vor der Herausforderung, Daten aus Projekten in 44 Ländern effizient zu sammeln und für die strategische Wirkungsmessung nutzbar zu machen. Die Serie zeigt, wie gemeinnützige Organisationen mit begrenzten Ressourcen moderne Datenmanagement-Lösungen implementieren können, ohne teure Spezial-Software anschaffen zu müssen. Der erste Teil beschreibt die Ausgangssituation und die Anforderungsanalyse, während der zweite Teil die entwickelte Lösung und die daraus resultierenden Erkenntnisse vorstellt.


07. 05. 2025

Weltweite Datenübertragung: Datenvorhaben zur Ermöglichung der strategischen Wirkungsmessung bei Terre des Hommes

Im Datenvorhaben mit dem Civic Data Lab (CDL) hat Terre des Hommes e.V. mithilfe der Datenexperten von Futurice GmbH einen Weg gefunden, Komponenten ihres Microsoft 365 Paketes zu nutzen, um Daten für die Messung der Wirkung weltweiter Projekte auf ihre strategischen Ziele hin zu erheben und zu visualisieren.

 

Die Problemstellung: Datenübertragung zur Wirkungsmessung

Strukturentwicklung als Overhead in der weltweiten entwicklungspolitischen Zusammenarbeit?

Terre des Hommes unterstützt Projekte auf der ganzen Welt, die sich für Kinder und ihre Rechte einsetzen. Klimawandel, Kinderarbeit, Krieg und Vertreibung sind Herausforderungen, die ganz besonders Kinder und Jugendliche betreffen. Für ihre Arbeit verfolgt Terre des Hommes einen partnerschaftlichen und partizipativen Ansatz. Sie wirken mit Partnerorganisationen vor Ort zusammen und setzen gemeinsam mit Kindern ihre Rechte weltweit durch. Dafür werden grundlegende Strukturen von der Bundesgeschäftsstelle in Osnabrück aus betrieben. Weitere Mitarbeitende verteilen sich als Regional- und Projektmanager*innen auf sechs Regionen mit Projekten in 44 Ländern. Dabei orientieren sie sich gemeinsam an vier großen strategischen Zielen, deren Erreichung im Rahmen einer Wirkungsmessung getrackt wird.

Ein passendes Datenmanagement, Prozesse zur Wirkungsorientierung der Arbeit vor Ort und andere Aspekte von Qualitätssicherung und Professionalisierung geraten dabei allzu schnell in den Verruf, „Overhead“ zu produzieren. Es gilt als Qualitätsmerkmal hauptsächlich spendenfinanzierter Organisationen, einen möglichst großen Anteil direkt der Projektarbeit mit und für die Kinder fließen zu lassen. Dies ist aus Sicht von Spender*innen durchaus nachvollziehbar.

Angesichts der großen Transformationen in der Arbeitswelt und den neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung verspricht, erleben wir einen fundamentalen Wandel der Arbeitsstrukturen.  Darin liegt darin aber auch die Gefahr, sinnvolle Entwicklungen zu verpassen und mögliche Effizienz- und Effektivitätssteigerungen durch Daten nicht zu nutzen. Gerade zur Sicherung und vorausschauenden Planung von qualitäts- und wirkungsvollen Maßnahmen sind gute Instrumente, für die Erhebung und den Transfer von Daten, entscheidend, da sie die Bedingung für gute Datenqualität bilden.

Effiziente Wirkungsmessung erfordert eine passende Datenübertragung

Aus diesem Grund waren wir beim Civic Data Lab direkt begeistert, wie wichtig für Terre des Hommes die Fokussierung auf ihre strategischen Ziele sowie die Messung der darauf gerichteten Wirkung sind. Nachdem in der Stabsstelle Qualität quantitative und qualitative Indikatoren entwickelt wurden, sollte  im Datenvorhaben mit dem CDL die Übertragung der dafür relevanten Daten aus rund 400 Projekten in aller Welt ermöglicht werden. Dabei ging es um das Sichern einer hohen Datenqualität bei gleichzeitig zu verringernden Aufwänden für die Verantwortlichen, die die Daten (ein-)pflegen sollen.

Aufgrund der knappen Ressourcenlage war von Anfang an das Ziel, möglichst vorhandene Tools zu nutzen. Tatsächlich konnte das Problem der dezentralen Datensammlung und -darstellung so formuliert werden, dass eine Architektur innerhalb des existenten Microsoft365 Paketes mithilfe der Komponenten Lists, Forms und PowerBI in Sharepoint sowie mit APIs zur Anbindung an andere Systeme umgesetzt werden . Als Ansatz könnte dies für andere Organisationen interessant sein, die sich ebenfalls im M365-Umfeld bewegen.

Das Vorgehen: Datenmodellierung und Architektur innerhalb der gewohnten IT-Umgebung mit zahlreichen Bedarfen

Die Interviewphase zeigte weitreichende Bedarfe zur Vereinfachung und Verschlankung

Die Umsetzung wurde sehr kompetent durch Datenexperten von der Futurice GmbH verantwortet. In einer ersten Phase nach dem Kick-Off, im Kreis der drei Partner zur Definition der angestrebten Datennutzung, führte Futurice Interviews mit den Personen, die die Daten einpflegen werden: Regional- und Projektmanager*innen, deren Aufgabe die direkte Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen vor Ort ist. Ihre Anforderungen als Nutzer*innen sollten die Leitlinie für die Entwicklung bilden.

Auf diese Weise wurden in einem ersten Schritt eine ganze Reihe von Bedarfen zu administrativen Prozessen gesammelt – deutlich mehr als durch das Datenprojekt abzudecken wären. Gezeigt hat sich auch, dass bei Terre des Hommes das Tracking der strategischen Ziele nicht der einzige Anlass für Datenflüsse aus laufenden Projekten ist – auch für die Öffentlichkeitsarbeit, für die Abrechnung und andere Zwecke werden Informationen abgefragt. Die verschiedenen Anforderungen führen zu Bedarfen zur Vereinfachung und Vereinheitlichung der Erhebungen.

Im Rahmen des CDL Datenvorhabens war es zu diesem frühen Zeitpunkt wichtig, Erwartungsmanagement zu betreiben. Es musste gemeinsam abgesteckt werden, was durch das neue Tool ermöglicht werden soll und was im Rahmen des Datenvorhabens (noch) nicht berücksichtigt werden kann. Für Terre des Hommes bieten die so erfassten Bedarfe eine systematische Informationsgrundlage für weitere Vorhaben, die an die entstanden Lösung anschließen können.

Erwartungsmanagement in der Umsetzungsphase mit regelmäßigen Treffen aller Beteiligten und Interessierten 

Aus den Interviewergebnissen konnte Futurice die Verknüpfung von strategischen Zielen auf Micro-, Meso- und Makroebene, Projektprofilen und Aktivitätsupdates nachzeichnen. Zudem konnte ein Überblick über die bisherigen Prozesse zur Übermittlung von Daten mithilfe diverser Methoden geschaffen werden. Schließlich wurden die zentralen Herausforderungen in den bisherigen Prozessen strukturiert aufgearbeitet und mit einem zentralen Steuerungsgremium besprochen:

Herausforderungen bei der Datenerhebung:

  • Fragmentierte Methoden: je nach Team kommen unterschiedliche Mittel von Wordformularen über Exceltabellen bis hin zu Datentransfer via E-Mail zum Einsatz, wodurch die Daten nur mit viel Mühe standardisiert ausgewertet werden können.
  • Fehlende strukturierte Daten: Manche Berichte enthalten rein qualitative Daten, die ebenfalls nicht zur standardisierten Auswertung geeignet sind.
  • Überfordernde Anforderungen: Komplexe Indikatoren machen es schwierig, mit überschaubarem Aufwand relevante Daten zuzuliefern.

Herausforderungen bei der Datenanalyse sowie der Nutzung von Ergebnissen:

  • Daten werden nicht systematisch genutzt: Zwar werden Daten gesammelt, die Schlüsselzahlen werden aber nicht aus den Berichten extrahiert, um ein Tracking von Veränderungen zu ermöglichen.
  • Mangelnde Datenqualität: Es kommt aufgrund der Anfragestrukturen zu Dubletten wie doppelt gezählte Kinder, die an zwei Angeboten im selben Projekt teilnehmen oder zu anderen inkonsistenten Berichtsinhalten.
  • Entscheidungen werden selten datenbasiert gefällt: Die Indikatoren sind z.T. sehr komplex und bislang noch nicht so auf die strategischen Ziele gerichtet, dass sie eine hilfreiche Entscheidungsgrundlage bieten könnten.

Herausforderungen bei der Zusammenarbeit und Datensicherheit:

  • Fehlende Integration der digitalen Arbeitsumgebungen von Geschäftsstelle und Regionalbüros
  • Sensible Daten: Manche Projekte arbeiten in Ländern mit unsicheren politischen Situationen und Gefahren für die Zivilgesellschaft (z.B. Syrische Geflüchtete im Libanon, Simbabwe), die eine besondere Sicherheit bei der Datenspeicherung und Beschränkung in der Zugänglichkeit erforderlich machen.

Darauf folgte ein Designprozess, bei dem wöchentlich alle interessierten Beteiligten für Feedback und die Beantwortung von offenen Fragen wieder zusammenkamen. Es zeigte sich, dass die Bekanntheit und das Interesse am Projekt in der Organisation über die Zeit immer weiterwuchsen. Dies hatte zur Folge, dass spät im Prozess noch ganz grundlegende Anforderungen hinzukamen und z.T. zu neuen Anpassungen führten. Hier musste zu jedem Zeitpunkt im Projektverlauf genau geprüft werden, welche Anforderungen innerhalb des Projektauftrages sinnvoll integrierbar sind, welche über das Ziel hinausschießen und damit das Projekt unrealistisch groß werden lassen. Die damit verbundene möglichst transparente Kommunikation dieser Scoping-Entscheidungen erforderte einen sensiblen Umgang mit Erwartungen und Lösungsversprechen.


Autor*innen

Angela

Angela Berger (sie/ihr)

Datenvorhaben Kontakt in HumHub

T05FSMP3KQS-U05FPQ6U745-7b6646010cb8-512

Leo Preu (er/ihm)

Datenvorhaben Kontakt in HumHub


Mehr aus dem Blog