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Transparenz im Sozialleistungsdschungel durch intelligente Datenverarbeitung: FörderFunke macht Ansprüche sichtbar

In Deutschland bleiben jährlich Milliardenbeträge an Sozialleistungen ungenutzt: Bis zu 12 Millionen Euro Pflegeleistungen werden nicht abgerufen, nur ein Drittel der berechtigten Kinder erhält den Kinderzuschlag, und erschreckende 60% der Grundsicherung im Alter bleibt ungenutzt. Diese alarmierenden Zahlen waren der Ausgangspunkt eines inspirierenden Espresso-Talks des Civic Data Labs mit den Gründern von FörderFunke, Benjamin Degenhart und Ben Gläser.


20. 02. 2025

Warum werden Sozialleistungen nicht in Anspruch genommen?

Die Gründe sind vielschichtig und tiefgreifend. Unwissenheit spielt eine zentrale Rolle: Zahlreiche Bürger*innen sind sich schlichtweg nicht bewusst, welche Unterstützungsmöglichkeiten ihnen zustehen. Diese Informationslücke betrifft alle Bevölkerungsschichten, doch besonders gravierend wirkt sie sich bei Menschen mit geringerer Bildung, eingeschränktem Zugang zu digitalen Informationsquellen oder Migrationshintergrund aus. Die staatlichen Kommunikationskanäle erreichen oft genau diejenigen nicht, die die Unterstützung am dringendsten benötigen.

Die Komplexität der Antragsprozesse stellt eine weitere erhebliche Hürde dar. Die Antragsverfahren sind häufig in einer bürokratischen Sprache verfasst, die für viele Menschen schwer verständlich ist. Formulare erstrecken sich über zahlreiche Seiten, verlangen detaillierte Nachweise und setzen ein umfassendes Verständnis der jeweiligen Rechtsgrundlagen voraus. Besonders bei ineinandergreifenden Leistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag müssen Antragsteller*innen mehrere komplizierte Verfahren durchlaufen, die sich gegenseitig beeinflussen. Diese Komplexität führt nicht selten zu Frustration, Resignation und letztendlich zum Verzicht auf zustehende Leistungen.

Psychologische Barrieren bilden einen dritten, oft unterschätzten Faktor. In einer Gesellschaft, die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung hochhält, empfinden viele Menschen Scham, wenn sie staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen müssen. Die Angst vor Stigmatisierung, vor abwertenden Blicken in Behörden oder vor dem Gefühl des persönlichen Versagens hält zahlreiche Berechtigte davon ab, ihren Anspruch geltend zu machen. Besonders ältere Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, empfinden häufig zu viel Stolz, um im Alter Grundsicherung zu beantragen – selbst wenn sie am Existenzminimum leben.

Das Start-up FörderFunke, gegründet im August 2024, verfolgt eine innovative Idee: Statt dass Bürger*innen mühsam nach Unterstützungsleistungen suchen müssen, sollen die Leistungen die Berechtigten finden. Der Clou des Ganzen: Mit einem schnellen Anspruchscheck der nur wenige Minuten dauert, können Betroffene feststellen, ob ihnen Sozialleistungen zustehen und weitere Hilfe erhalten – zur Antragsstellung, zu den Rechtsgrundlagen, zu weiteren Unterstützungshilfen oder Beratungsstellen.

Wie funktioniert die das Matching und die Datenverarbeitung hinter FörderFunke?

Das Fundament bildet der Open-Source-Ansatz, der u.a. die Veröffentlichung des Quellcodes beinhaltet. Durch die transparente Veröffentlichung ermöglicht FörderFunke eine gemeinschaftliche Weiterentwicklung und kontinuierliche Verbesserung des Systems. Das zweite Kernprinzip – Linked Open Data – bildet das technologische Herzstück der Plattform. Hierbei werden strukturierte Daten aus verschiedenen Quellen mittels semantischer Technologien miteinander verknüpft. FörderFunke integriert dabei Gesetzestexte, Verordnungen, kommunale Richtlinien und weitere relevante Informationen in einem maschinenlesbaren Format. Diese Vernetzung ermöglicht es, komplexe Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Leistungen zu erkennen und präzise Empfehlungen auszusprechen. So kann automatisch erkannt werden, wenn der Anspruch auf eine Leistung den Zugang zu weiteren Unterstützungsangeboten öffnet oder wenn sich verschiedene Leistungen gegenseitig ausschließen. Das dritte Prinzip – Privacy by Design – durchdringt jede Ebene der technischen Umsetzung. Es manifestiert sich konkret in der lokalen Datenverarbeitung, bei der sensible persönliche Informationen ausschließlich im Browser der Nutzenden verbleiben und niemals auf externen Servern gespeichert werden. Diese Herangehensweise schafft nicht nur rechtliche Konformität, sondern adressiert direkt eine der größten Nutzungsbarrieren: die Sorge vor Datenmissbrauch oder ungewollter Offenlegung der persönlichen Situation.

Hinter der benutzerfreundlichen Oberfläche verbirgt sich eine komplexe technische Architektur

Die intelligente Frage-Skalierung passt Abfragen dynamisch an – basierend auf vorherigen Antworten und regionalen Besonderheiten. Statt starrer Formulare werden Fragen priorisiert, die für die jeweilige Situation besonders relevant sind. Die effiziente Parameterabfrage minimiert den Eingabeaufwand durch sinnvoll konstruierte Fragen, die mehrere Entscheidungszweige gleichzeitig abdecken. Parallel dazu läuft im Hintergrund eine Validierung: Jede Nutzereingabe wird mit Daten zu Gesetzestexten und Verordnungen abgeglichen.

Am Ende erhalten Nutzer*innen eine übersichtliche Darstellung: Wo habe ich Anspruch, warum habe ich Anspruch oder warum nicht, konkrete Empfehlungen für das weitere Vorgehen, z.B. wie erstelle ich den Antrag, rechtliche Grundlagen und wer kann mich unterstützen.

FörderFunke demonstriert eindrucksvoll, wie Daten und semantische Technologien einen konkreten gesellschaftlichen Mehrwert schaffen können. Der Ansatz dreht die bisherige Logik um und bietet für Beratungsstellen, Sozialarbeiter*innen und vor allem Betroffene erheblichen praktischen Nutzen.

Mehr Informationen unter: https://foerderfunke.org/


Autorin

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Stephanie Agethen (sie/ihr)

Kommunikation Kontakt in HumHub


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