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Datenvisualisierung – Eine Einführung

Datenvisualisierungen sind beinahe so alt wie die Menschheit. Seit unsere Vorfahren Zahlen für sich entdeckt haben, versuchten sie komplexe Dinge einfach und verständlich darzustellen. Mit diesem Beitrag von Experte Matthias Süßen findet Ihr Euren Einstieg.


26. 08. 2024

Datenvisualisierungen sind beinahe so alt wie die Menschheit. Seit unsere Vorfahren Zahlen für sich entdeckt haben, versuchten sie komplexe Dinge einfach und verständlich darzustellen. Angefangen von einfachen Zählknochen über Sternkarten wie die Himmelsscheibe von Nebra bis hin zu komplexen Stadtplänen wie dem der Stadt Nippur aus der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr.

Schon im Mittelalter ergänzten Linien- und Säulendiagramme das Portfolio. In der frühen Neuzeit folgten Balkendiagramme und komplexere Darstellungen. Trotzdem pflegte die Datenvisualisierung lange ein Schattendasein. Als der schottische Ingenieur William Playfair im 19 Jahrhundert sich überlagernde Liniendiagramme nutzte, um damit Verhältnisse anzuzeigen, wurde er dafür belächelt.

Das änderte sich spätestens im 19. Jahrhundert, als in London eine Epidemie ausbrach. Erst als John Snow die Cholerafälle auf eine Karte übertrug, konnte die Quelle des Ausbruchs (ein Trinkbrunnen) schnell gefunden und beseitigt werden.

 

 

Kartenansicht von Johan Snow

Die Karte von John Snow. Die Trinkbrunnen sind mit einem X markiert, die Cholerafälle mit einem Punkt. Snow wurde so ziemlich schnell klar, dass der Brunnen in der Broad-Street Ursache für die Epedimie war. (Gemeinfrei)

Vectors by Oona Räisänen

Vectors by Oona Räisänen (Mysid); designed by Carl Sagan & Frank Drake; artwork by Linda Salzman Sagan, Pioneer plaque, gemeinfrei, Details auf Wikimedia Commons

Heute versucht man, mit verständlichen Datenvisualisierungen auch Sprach- und Kulturgrenzen zu überwinden. So ist es kein Wunder, dass an Bord der Pioneer-Sonden, die 1972 ihren Weg durch das Weltall antraten, Plaketten angebracht wurden, die möglichen außerirdischen Findern unter anderem den Weg zu unserem Planenten weisen.

Doch auch auf der Erde kommt der Visualisierung angesichts immer größerer Datenmengen, die von öffentlichen und privaten Quellen tagtäglich produziert werden, eine immer größere Bedeutung zu.

Ein Bild sagt mehr als tausend Werte

Große Zahlenmengen sind für uns Menschen schwer zu begreifen. Das ist der Grund, warum Journalisten oft mit Vergleichen arbeiten (so groß wie x Fußballfelder, 10x so groß wie das Saarland/Hessen. Entspricht etwa x Badewannen voll Wasser…) Wenn Du nach spannenderen Vergleichen suchst, hilft dir diese Seite.

Wir können Formen und Farben viel leichter interpretieren als Zahlen. Je größer die Datenmenge, desto schwere fällt es uns, darin Muster, Trends oder Ausreißer zu erkennen. Aufgabe der Datenvisualisierung ist es also, die Daten in eine leichter zu verstehende Form zu übertragen. Nehmen wir diese Tabelle mit dem Titel “Anteil ausgewählter Kontinente am Konzernumsatz in Millionen Euro”. Quelle ist eine Musterdatei von infogr.am, einem Datenvisualisierungstool.

Nordamerika Asien Europa Südamerika
2011 7.664 747 5.334 2.546
2012 10.286 1.195 4.731 1.909
2013 13.094 2.277 7.572 2.798
2014 14.946 5.943 5.195 3.378
2015 17.968 11.385 4.116 3.371
2016 18.566 15.245 6.025 4.087

Diese Tabelle wird gleich viel verständlicher, wenn man sie als Liniengrafik darstellt:

 


Ein Eisberg mit Häusern.

Mancher Eisberg ist so groß wie das Saarland. Bild: Midjourney

Warum Datenvisualisierungen unverzichtbar sind

Datenvisualisierungen verwandeln abstrakte Zahlen und Fakten in leicht verständliche Grafiken. So können wir:

  • Verständlichkeit steigern: Datenvisualisierungen machen komplexe Datenmengen leichter verständlich und zugänglich, indem sie abstrakte Zahlen in visuell fassbare Formen umwandeln. Das macht Daten für ein breiteres Publikum zugänglich
  • Muster und Trends erkennen: Visualisierungen helfen dabei, Muster, Trends und Ausreißer in den Daten zu erkennen, was bei reinen Zahlen oft schwerer fällt.
  • Effektiv Kommunizieren: Grafiken und Diagramme können Informationen schneller und klarer vermitteln als Text oder Tabellen. Außerdem können Visualisierungen nebenbei als visuelle Elemente den Text auflockern.
  • Entscheidungsfindung erleichtern oder Debatten anstoßen: Klare und aussagekräftige Datenvisualisierungen unterstützen Entscheidungsträger dabei, Probleme zu erkennen und fundierte Entscheidungen zu treffen, indem wir Daten in eine leicht verständliche Form umwandeln und so die Informationsbasis für Entscheidungen verbessern. Außerdem können sie dazu beitragen, gesellschaftliche Debatten anzustoßen.
  • Zugang zu Daten für Nicht-Experten erleichtern: Komplexe Daten werden durch Visualisierungen auch für Menschen ohne tiefgehendes Fachwissen zugänglich und verständlich.
  • Erkenntnisse effizient präsentieren: Datenvisualisierung ermöglicht eine effiziente Präsentation großer Datenmengen, wodurch komplexe Informationen schnell vermittelt und das Verständnis sowie die Relevanz der Daten für das jeweilige Thema gesteigert werden können.

Oder kurz: Datenvisualisierung hilft, Erkenntnisse aus komplexen Datensätzen zu gewinnen.

Malen mit Zahlen

Es gibt grob gesagt vier Arten von Daten, die sich für eine Visualisierung eignen:

  • Numerische Daten basieren auf messbaren Mengen. Beispiele hierfür sind Größen wie Temperatur, Alter, Umsatz, Gewicht oder ganz einfach die Anzahl von etwas. Sie lassen sich auf vielfältige Weise darstellen und eignen sich gut für mathematische Analysen und statistische Auswertungen.
  • Kategoriale Daten basieren auf qualitative Merkmale oder Eigenschaften, die in Gruppen oder Kategorien eingeteilt werden können. Beispiele sind Fragen nach Geschlecht, dem Wohnort, dem Ausmaß der persönlichen Zufriedenheit oder Schulnoten. Sie können zwar auf Zahlen basieren, doch sind diese anders zu werten als bei numerischen Daten. So kann die Frage nach männlich oder weiblich zwar mit den numerischen Werten 1 und 2 wiedergegeben werden – der Wert „zwei“ steht aber nicht für zweimal so viel wie der Wert „1“. Für ihre Visualisierung eignen sich Balkendiagramme oder Tortendiagramme
  • Geografische Daten beziehen sich auf Informationen, die mit geografischen Standorten oder Bereichen verbunden sind. Beispiele sind Länder, Städte, Koordinaten oder topografische oder wirtschaftliche Merkmale. Geografische Daten ermöglichen räumliche Analysen und werden oft durch Karten visualisiert. Sie können entweder durch geometrische Formen (wie Grenzen von Ländern oder Städten) oder durch Punkte (z.B., Standorte auf einer Karte) repräsentiert werden.
  • Zeitliche Daten werden in der Regel als Liniendiagramme dargestellt, wobei die X-Achse die Zeitachse ist und die Zeit von links nach rechts verläuft.

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Setze auf bewährte Visualisierungsformen. Sie sind für alle verständlich. Bild: Midjourney

Treibe es nicht zu bunt – Diagrammtypen und ihre Verwendung

Bei Infografiken hilft viel nicht viel. Ziel ist eine radikale Vereinfachung. Gleichzeitig müssen wir dabei darauf achten, dass wir das Gesamtbild dabei nicht verfälschen. Das ist gar nicht so leicht.

Es mag langweilig klingen, aber Du solltest auf etablierte Darstellungsformen setzen. Diese sind auch für Laien leicht verständlich und ermöglichen eine schnelle, intuitive Interpretation der Daten ermöglichen. Vermeintlich schöne, aber rätselhafte Visualisierungen lassen uns ratlos zurück oder bieten viel Interpretationsspielraum, was zu Missverständnissen führen kann.

Bleiben wir also beim Bewährten. So ist das altbekannte Tortendiagramm gut geeignet, um Teile eines Ganzen (33%, 1/4…) zu zeigen.

Säulendiagramme sind aber leichter lesbar und ihre Schwestern, die Balkendiagramme können längere Beschriftungen enthalten.

Liniendiagramme zeigen Trends ganz eindrücklich. Mit diesem Strauß an Visualisierungsformen solltest du dich der Regel begnügen.


Orientierungshilfen im Datenvisualisierungsdschungel

Welche Visualisierung für welchen Zweck geeignet ist, zeigen das Visual Vocabulary der Finacial Times (als pdf und als Online-Version) oder der Chartchooser ganz eindrücklich. Eine weitere Entscheidungshilfe für eine passende Viualisierung bietet Data-to-viz.


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Der Dataviz-Catalogue hilf bei der Wahl des richtigen Werkzeugs. Bild: Midjourney

Wichtige Tools für Datenvisualisierung

Für den Anfang würde ich mich auf Google Tabellen und Datawrapper konzentrieren. Mit dieser Kombination könnt ihr nahezu alle Visualisierungen relativ einfach erstellen. Beide sind recht intuitiv zu bedienen. Der Datawrapper ist eine Art Schweizer Taschenmesser der Datenvisualisierung. Und dazu noch leicht zu bedienen. Es gibt vier simple Grundschritte, bis man seine Visualisierung erhält:

  1. Einfügen der Daten
  2. Überprüfen + evtl. Anpassen
  3. Auswahl der Grafik-Möglichkeiten (Enthält einige Unterschritte)
  4. Fertige interaktive Grafik mit Einbett-Code oder nicht-interaktiv als Grafikdownload

Sehr gerne schaue ich auch auf die vom Knight Lab der Northwestern University (USA) entwickelten Tools zur Datenvisualisierung.

Zeitleisten kannst Du mit TimelineJS sehr schön visualisieren, während das Tool StorymapsJS eine ziemlich gute Kombination aus Zeitleiste und Karte bietet (um zum Beispiel Flucht- oder Lebensgeschichten mit vielen Stationen zu illustrieren).

Auch im Video funktioniert Datenvisualisierung ganz gut. Tolle Werkzeuge dafür sind Lumen5 und Canva.

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Um den Schatz zu heben, muss man kein Hacker sein. Im Netzt stehen viele Datensätze zur Verfügung. Kostenlos und legal. Bild: Midjourney

Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Die allermeisten Daten, mit denen ich arbeite, stammen aus offenen Datenbanken, wissenschaftlichen Publikationen und Berichten von NGOs, die sie für jedermann zugänglich machen. Dadurch wird sichergestellt, dass die gewonnenen Erkenntnisse auf nachvollziehbaren und geprüften Informationen basieren. Zu einer guten Datenvisualisierung gehört daher immer auch eine Quellenangabe.

Gute Übersichten öffentlich zugängliche Datenquellen bieten:

Gute Anlaufstellen für öffentlich zugängliche Datenquellen sind:


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In sechs Schritten zur Datenvisualisierung

Wie so oft macht es Sinn, sich zu überlegen, was man eigentlich erreichen will, bevor man mit einem Projekt beginnt.

Der Weg zur Visualisierung ist nicht lang. Am besten gehst du Schritt für Schritt vor. Bild: Midjourney

In meiner täglichen Arbeit gehe ich da wie folgt vor:

  1. Was ist dein Ziel? Wer ist deine Zielgruppe? Welche Botschaft oder Erkenntnis möchtest du mit deiner Visualisierung vermitteln. Ob es darum geht, Trends zu zeigen, Beziehungen aufzuzeigen oder Muster zu identifizieren – ein klares Ziel hilft, die geeignete Visualisierungsmethode zu wählen. Entscheide dich, wen du ansprechen möchtest. Ein eher jüngeres Publikum hat andere Ansprüche an das Design als ein eher älteres, bei Experten kannst du mehr Vorwissen voraussetzen als bei Laien. Mach dir also klar, wen du wie ansprechen möchtest.
  2. Daten sammeln: Recherchiere, wo du die benötigten Daten herbekommst oder wie du sie selbst erheben kannst. Kläre, welche Art von Daten du hast oder für deine Geschichte benötigst (z.B., numerisch, kategorisch, geografisch).
  3. Datenbereinigung und -vorbereitung: Bereinige die Daten von Unregelmäßigkeiten, fehlenden oder (für deine Visualisierung) überflüssigen Werten oder Duplikaten. Strukturiere die Daten so, dass sie für die gewählte Visualisierungsmethode geeignet sind. Dies kann das Hinzufügen neuer Spalten, das Filtern und löschen von Daten oder die Umwandlung von Formaten einschließen. Versuche anschließend Muster, Trends und Schlüsselinformationen zu finden, die du für deine Visualisierung nutzen kannst. Bei groben Ausreißern schaue ich immer wieder genau hin und hake gegebenenfalls bei den Urhebern der Daten nach, ob dafür fehlerhafte Daten verantwortlich sind.
  4. Entscheide dich für eine geeignete Visualisierungsmethode: Welche Form der Illustration passt zu deinen Daten: Balkendiagramme, Liniendiagramme, Tortendiagramme, Kartenvisualisierungen und viele andere Optionen stehen zur Verfügung. Denke daran, dass nicht jede Methode für jede Art von Daten geeignet ist. Wie schon geschrieben: Etablierte Formen funktionieren am besten und sind am einfachsten zu verstehen. Manchmal macht es aber durchaus Sinn, verschiedene Visualisierungsformen auszuprobieren.
  5. Wähle das passende Visualisierungstool: Entscheide dich für das Werkzeug, das deinen Anforderungen entspricht. Es gibt verschiedene Tools, von einfachen wie Google Tabellen oder Datawrapper bis zu komplexeren wie Tableau oder Power BI. Die Auswahl hängt von deinen Fähigkeiten, dem Datenformat und deinen Vorlieben ab. Ich mag einfache Lösungen.
  6. Gestalte ansprechende Grafiken: Achte bei der Gestaltung deiner Visualisierung auf ansprechende Ästhetik, eine gute Lesbarkeit und hohen Informationsgehalt. Beschränke dich auf das Wesentliche. Klare Achsenbeschriftungen, aussagekräftige Legenden und eine ansprechende Farbwahl sind wichtig, um die Informationen leicht verständlich zu machen. Stelle sicher, dass deine Visualisierung auch für dein Zielpublikum klar und ansprechend ist.

Der wohl wichtigste Tipp zur Datenvisualisierung

Wir alle haben mal klein angefangen. Beginne also mit realistisch umsetzbaren Projekten und lasse dich von anderen inspirieren. Mit zunehmender Erfahrung wirst du deine Fähigkeiten in der Datenvisualisierung weiterentwickeln. Dabei wirst du feststellen, dass einfache Visualisierungsformen immer noch am besten funktionieren und deinen eigenen Stil entwickeln. Hab keine Scheu – Datenvisualisierung macht Spaß und bietet unzählige Möglichkeiten, Kreativität und analytisches Denken zu verbinden.


Autor

© Matthias Süßen
© Matthias Süßen

Matthias Süßen

Journalist und Dozent



Matthias Süßen ist freier Journalist, Blogger und Trainer. Er gibt Kurse zu Themen wie Mobile Journalism, Videodreh mit dem Smartphone, Datenvisualisierung, 360 Grad Video & Foto + Virtual Reality, Filmen für die Wissenschaft und Bloggen für Journalisten. Er berät Medienunternehmen und wissenschaftliche Institutionen im Bereich Social Media, Mobile Reporting, Online- und Videojournalismus. Mehr unter: Moin. – Matthias Süßen (matthias-suessen.de)

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