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Klickarbeiter im KI-Training: Wie sich Datenarbeiter:innen gegen Ausbeutung wehren

Hinter jeder Anwendung von Künstlicher Intelligenz steckt menschliche Arbeit, die häufig im Globalen Süden verrichtet wird. Über die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen von Klickarbeiter:innen, die Daten zum Training von KI-Modellen annotieren und labeln, haben wir bereits in einem vorherigen Blogbeitrag berichtet. In diesem Beitrag legen wir den Fokus auf die Zivilgesellschaft im Globalen Süden und die Klickarbeiter:innen selbst: Wie setzen sie sich für eine Verbesserung der prekären Arbeitsbedingungen ein – auf der Grundlage von Daten?


25. 09. 2025

Oft ist nicht klar, wie und wohin die großen, globalen Tech-Unternehmen das Labeln von Inhalten outsourcen, mit denen sie im Anschluss ihre KI-Modelle trainieren. Denn meistens beauftragen sie dazu Subunternehmen, sodass die Klickarbeiter*innen nur indirekt für sie tätig sind. Um Licht ins Dickicht der Verflechtungen zu bringen, hat die Gewerkschaft African Content Moderators Union (ACMU) gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation PersonalData.IO die Initiative ergriffen: Auf einer interaktiven Weltkarte visualisieren sie Verknüpfungen zwischen internationalen Unternehmen und Auslagerungszentren auf dem afrikanischen Kontinent. Hier zeigt sich zum Beispiel, dass die Tech-Riesen Meta und Google über die Outsourcing-Firma Hugo Auslagerungszentren in Südafrika, Nigeria und Kenia betreiben. Und dort arbeiten reale Menschen, die mitunter Traumata von den gewaltvollen Inhalten davontragen, die sie sich im Rahmen ihrer Arbeit anschauen müssen.

Gemeinsam statt isoliert

Zusätzlich zu den großen Auslagerungszentren an festen Standorten nutzen Unternehmen digitale Plattformen, um Aufträge für Klickarbeiten zu vergeben. Die Klickarbeiter*innen labeln die Inhalte zumeist zuhause an ihren privaten Laptops. In einem gemeinsamen Projekt befragten das PIT Policy Lab, UNAM Civic Innovation Lab und Puentech Lab solche plattformbasierten Klickarbeiter*innen in Lateinamerika zu ihrem Arbeitsalltag – die meisten von ihnen beklagten die Isolation bei der Arbeit und wünschten sich Vernetzungsmöglichkeiten. Auf Basis dieser Daten entwickelten die Organisationen eine spanischsprachige Online-Community, in der sich die Klickarbeiter*innen austauschen können. Damit entstand ein Ort für Ratschläge im Arbeitsalltag und zum Teilen von Erfahrungen.

Selbst erzählen – mit Comics, Filmen und Porträts

Darüber hinaus sind Klickarbeiter*innen auch selbst in der Forschung zu ihrem Arbeitsumfeld aktiv: Auf der Webseite Data Workers‘ Inquiry dokumentieren Klickarbeiter*innen aus Venezuela, Kenia, Syrien, Brasilien und Deutschland ihre Arbeitsbedingungen. So gibt zum Beispiel Botlhokwa Ranta mit ihren gesammelten Erfahrungsberichten einen Einblick in geschlechtsspezifische Erlebnisse von Frauen in der Klickarbeit, Wilington Shitawa zeichnet in einem Comic die Lebensgeschichte von zwei Klickarbeitern in Nairobi nach und Yasser Yousef Alrayes porträtiert in einem Kurzfilm den Arbeitsalltag syrischer Klickarbeiter*innen. Mit diesen eindrücklichen Publikationen erheben die Klickarbeiter*innen ihre Stimme – und fordern sowohl die Tech-Unternehmen als auch Politiker*innen auf, Verantwortung für ihre unsichtbare Arbeit zu übernehmen und sie besser zu schützen.

Der Kampf für eine bessere Zukunft

Darüber hinaus gehen im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen einige Klickarbeiter*innen auch juristisch vor: In Ghana und Kenia klagen zwei Zusammenschlüsse ehemaliger Klickarbeiter*innen gegen ihren indirekten Arbeitgeber Meta, trotz massiven Widerstands des Unternehmens. Mercy Mutemi, Anwältin in Nairobi, ist überzeugt, dass der kenianische Fall wegweisend sein wird – und dazu führen könnte, dass Tech-Unternehmen weltweit für Verletzungen von Arbeitnehmerrechten gerade stehen müssen. Bis die Gerichtsprozesse abgeschlossen und gute Arbeitsbedingungen in der globalen Klickarbeit tatsächlich erreicht sind, wird es noch ein langer Weg sein.

Aber bereits heute zeigt das gemeinnützige Unternehmen Karya in Indien, dass es durchaus möglich ist, KI-basierte Sprachmodelle sozial verträglich zu trainieren: Im ländlichen Bengaluru lesen die fair entlohnten Angestellten einer App Texte in ihren Muttersprachen vor. Diese Arbeit ermöglicht ihnen einen Weg aus der Armut in einer strukturschwachen Region – und in Zukunft verstehen KI-Modelle, die auf ihrer Arbeit basieren, nicht nur die großen europäischen Sprachen, sondern auch zahlreiche weniger bekannte Sprachen. Und das wiederum macht die Potenziale, die in der kompetenten Nutzung von KI stecken, zugänglich für Menschen in marginalisierten Weltregionen.


Autorin

Inga Sell

Inga Sell

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