Ein eindrucksvolles Beispiel für die Wirksamkeit freiwillig beigetragener Geoinformation zeigte sich nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti am 13. Januar 2010. Mit einer Stärke von 7,0 auf der Richterskala legte es große Teile des Karibikstaates in Schutt und Asche, wobei in einigen Regionen bis zu 90 Prozent der Häuser zerstört wurden. Innerhalb weniger Stunden begannen Freiwillige weltweit, verschiedene Datensätze zusammenzuführen. Anhand von Satelliten- und Luftbildern kartierten sie Straßen, Häuser und Umgebungen. Mittels Datenanalyse und partizipativem Field Mapping wurden die Informationen vor Ort verifiziert und ergänzt. Das Ergebnis war eine optimierte Logistik und ein effizienterer Ressourceneinsatz für Hilfsorganisationen und Einsatzkräfte. Die entstandenen Daten stehen auch Jahre nach der Katastrophe frei über OpenStreetMap zur Verfügung und können weiterhin z.B. als Grundlage für Risikobewertungen von Umweltfaktoren und zur Koordination des Wiederaufbaus dienen.
MapSwipe: Crowdsourcing leicht gemacht
Das Tool MapSwipe, an dessen Entwicklung HeiGIT beteiligt ist, zeichnet sich durch seine Benutzerfreundlichkeit aus. Freiwillige können per Smartphone und per Web-Browser im Micro-Volunteering-Verfahren helfen, indem sie Gebäude und Siedlungen in Satellitenbildkacheln identifizieren, Umweltveränderungen monitoren oder bestehende Kartierungsdaten validieren. Humanitäre Organisationen initiieren Projekte mit konkreten Fragestellungen und örtlichen Zuordnungen, woraufhin die Community von etwa 85.000 Freiwilligen schnell verwertbare Daten erstellt. Diese Daten dienen als Grundlage für detaillierte Kartierungen in OpenStreetMap. Ein mehrstufiger Validierungsprozess durch die Community gewährleistet die Datenqualität. “Mit MapSwipe können Freiwillige beinahe jederzeit und überall wichtige Beiträge leisten, z.B. beim Warten auf den Bus”, erklärt Oliver.
Sketch Map Tool: Lokales Wissen integrieren
Ergänzend dazu ermöglicht das Tool Sketch Map Tool konkrete Kooperationen in der Praxis. Es unterstützt analoges Kartieren vor Ort, beispielsweise durch partizipatives Kartieren mit der lokalen Bevölkerung. Dadurch können Kapazitäten, Umweltzerstörungen oder -risiken eingeschätzt und visualisiert werden, was das Verständnis von Zusammenhängen und Problemen fördert und Präventionsmaßnahmen unterstützt. In Timor-Leste wurden beispielsweise potenzielle Überflutungsgebiete gemeinsam mit Bewohnern identifiziert und in eine bestehende Karte integriert. Anne betont: „Nur in Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinden können Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz die Informationen gewinnen, die den individuellen Bedürfnissen und lokalen Gegebenheiten entsprechen.“ Durch die aktive Einbeziehung der Menschen vor Ort steigt nicht nur die Akzeptanz darauf basierender Entscheidungen, sondern auch das Bewusstsein für spezifische Herausforderungen am eigenen Wohnort sowie die Identifizierung möglicher Problemstellungen.
Digitalisierung analoger Daten
Eine wichtige Herausforderung besteht darin, analoge Karten digital verfügbar zu machen. Hierfür können Karten ausgedruckt und Informationen händisch markiert werden. Die markierten Karten werden dann per Smartphone gescannt und im Tool hochgeladen. Mithilfe maschineller Lernmethoden werden die Daten georeferenziert, als Vektoren erfasst und dem Benutzer zum Download zur Verfügung gestellt. Lokal erhobene Daten können so auf effiziente Weise mit anderen bestehenden und offiziellen Informationen integriert werden und somit ein ganzheitliches Bild einer lokalen Lage abbilden. Lokale Entscheidungsträger erhalten somit eine fundierte Grundlage für die Bewertung einer Risikosituation oder die Priorisierung von Maßnahmen. „Die einfache und benutzerfreundliche Digitalisierung analog erhobener lokaler Informationen erleichtert nicht nur die Einbeziehung und Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten, sondern stärkt auch das Empowerment der Gemeinschaft“, so Anne.
Ausblick und Potenzial
Die Kombination aus globaler digitaler Zusammenarbeit und lokalem Wissen eröffnet neue Dimensionen im Krisenmanagement. Um das volle Potenzial dieser Methoden auszuschöpfen, ist kontinuierliches Feedback essenziell. Nur so können die Tools weiterentwickelt und an die sich ständig ändernden Anforderungen angepasst werden. Die Zukunft des Krisenmanagements liegt in der geschickten Verknüpfung von Crowdsourcing, künstlicher Intelligenz und lokaler Expertise. Diese Synergie verspricht eine effektivere und schnellere Reaktion auf Krisen sowie verbesserte Präventionsmaßnahmen. Durch die fortschreitende Entwicklung dieser innovativen Ansätze können wir in Zukunft noch besser auf globale Herausforderungen reagieren und die Resilienz von Gemeinschaften weltweit stärken.
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Wer von Euch praktisch mit Geodaten arbeiten möchte, den empfehlen wir den Workshop von Matthias Süßen am 17. September – hier findet Ihr mehr Informationen.