Der Hype um Künstliche Intelligenz (KI) ist berechtigt, denn sie stellt tatsächlich eine bahnbrechende Schlüsseltechnologie dar. Doch allein wird sie keine Lösung für die komplexen Probleme unserer Zeit bieten.
Die Evolution der Technik: Von der Steinzeit zur KI
Technik ist eine uralte Angelegenheit. Bereits in der Steinzeit erschufen Menschen verschiedene Werkzeuge, um effektiver handeln zu können. Über die Jahrtausende hinweg hat sich viel verändert, doch eine Kontinuität blieb bestehen: Die Geschichte der Technik war im Wesentlichen eine Geschichte der Werkzeuge. Ob Hammer, Stift oder Auto – stets war es der Mensch, der diese Werkzeuge benutzte. Mit der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz zeichnet sich nun ein historischer Bruch ab. Erstmals sind Technologien verfügbar, die selbstständig Aufgaben erledigen können.
Ein Beispiel: Von der Schreibfeder zu ChatGPT
Im Laufe der Geschichte haben Menschen mit Hammer und Meißel geschrieben, mit Federn, Papyrus und Papier, mit Tastaturen und mit Microsoft Word. Diese Werkzeuge hatten gewaltige gesellschaftliche Auswirkungen, doch es gab eine Gemeinsamkeit: Immer hat der Mensch geschrieben. Bei ChatGPT ist es anders. Wir schreiben eine E-Mail nicht mit ChatGPT, sondern wir lassen sie von der KI schreiben. Diese veränderte Mensch-Technik-Interaktion betrifft auch viele weitere Bereiche: Einen konventionellen Pkw fahre ich – ein selbstfahrendes Auto hingegen fährt mich.
Die Auswirkungen der KI auf die Gesellschaft
Dieser Unterschied ist weitreichend und stellt einen Sprung in der Menschheitsgeschichte dar, dessen Ausmaße wir erst erahnen können. Es ist, als ob eine neue Spezies erschaffen worden wäre, die für uns Tabellen auswerten, Protokolle schreiben, Telefonate führen, Webseiten programmieren oder Illustrationen erstellen kann. Dies betrifft sämtliche gesellschaftliche Bereiche.
KI in der Wissenschaft und Forschung
KI wird in absehbarer Zukunft sämtliche Publikationen aus der Physik lesen können, in sämtlichen Sprachen, sich jedes Detail daraus merken und zu Erkenntnissen verknüpfen können. Kein Mensch, kein Forschungsteam ist dazu in der Lage. So liegt es nahe, dass wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein deutlich verändertes Tempo in der Grundlagenforschung erleben werden. Welche Erkenntnisse werden auf diese Weise möglich sein? Und wie werden sie wiederum Technik und Gesellschaft verändern? Das können wir unmöglich vorhersehen.
Die Veränderung der Arbeitswelt durch KI
Viele Auswirkungen von KI auf unser Leben werden indirekt sein – etwa wenn KI in der Wissenschaft eingesetzt wird, in der Medikamentenentwicklung oder in der Stadtplanung. Gleichzeitig zeichnen sich weitreichende direkte Effekte ab. Insbesondere ist klar, dass sich Arbeitswelten stark verändern werden.
Neue Anforderungen an Arbeitnehmer*innen
In der öffentlichen Debatte besteht aktuell ein starker Fokus auf die Frage, wo Menschen komplett durch eine KI ersetzt werden können und welche Jobs gänzlich wegfallen. Bei dieser Debatte droht aus dem Blick zu geraten, dass die meisten Menschen zwar nicht arbeitslos werden, sich ihre Arbeitsrealität aber dennoch massiv verändert. Arbeitsprozesse ändern sich und damit auch die notwendigen Fähigkeiten von Menschen am Arbeitsmarkt. Das führt zu veränderten Gewinner-Verlierer-Strukturen.
Die Rolle der Bildung in der KI-Ära
Es ist eine zentrale Aufgabe von Bildung, auf Arbeitswelten und andere gesellschaftliche Kontexte vorzubereiten und die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln. Deshalb ändert sich nun die Rolle von Bildungseinrichtungen. Eine Herausforderung ist es, die Transformation so zu gestalten, dass Verlierergruppen vermieden werden. Es liegt eine große Chance darin, dass Strukturen in der Arbeitswelt aufgesprengt werden. Denn es gibt viel Luft nach oben – wir leben nicht in der besten aller möglichen Welten.
Gestaltung der Zukunft mit KI
Momente des Umbruchs sind auch Momente der Gestaltung. Deshalb wünsche ich mir, dass wir dieses Möglichkeitsfenster, nun zu Beginn der Transformation, nicht verpassen und ebenso besonnen wie mutig die Weichen stellen für eine positive KI-Zukunft. Sie bedeutet nicht unbedingt ein hochtechnisiertes Science-Fiction-Szenario, sondern ist möglicherweise vor allem eine Zukunft, in der Menschen selbstbestimmt leben, mit einem stärkeren sozialen Zusammenhalt und in gerechteren Verhältnissen als heute. Das wäre sehr wesentlich eine analoge Aufgabe und würde vor allem analoge Fähigkeiten erfordern. Künstliche Intelligenz – in ihrer unbestreitbar gewaltigen Macht und Potentialität – könnte darin dann ein Baustein sein.