Interview mit Johannes Grünecker von Finding Futures zur neu entwickelten Reflexionshilfe des Civic Data Lab: „Vom Bauchgefühl zum umsetzbaren Datenprojekt“
Frage: Johannes, Du hast gemeinsam mit dem Civic Data Lab eine Reflexionshilfe für Datenprojekte entwickelt. Was war der Ausgangspunkt für dieses Material?
Johannes Grünecker: Die Idee entstand aus der Praxis: Viele Organisationen wollen ihre Daten besser nutzen, wissen aber nicht genau, was sie dabei erwartet. Es fehlt oft an Erfahrung, wie Aufwand und Nutzen realistisch eingeschätzt werden können – gerade, wenn wenig technisches Vorwissen oder Datenkompetenz vorhanden ist. Unser Ziel war es, eine praxisnahe Unterstützung zu bieten, die dabei hilft, Projekt-Ideen wirkungsorientiert, ressourcensensibel und flexibel zu entwickeln.
Frage: Die Analyse eurer Methode läuft auf zwei Ebenen: Wirkung für die Zielgruppe und die Organisation und Machbarkeit als Datenprojekt. Wie sieht dieser Check-up konkret aus?
Johannes Grünecker: Im ersten Schritt fragen wir: „Was bringt meine Idee, welchen Nutzen hat sie?“ Es geht darum, das „Warum“ des Projekts zu klären. Wer ist die Zielgruppe, was soll sich für sie verbessern, und welchen Mehrwert hat das Projekt auch für die eigene Organisation? Erst danach schauen wir auf die Umsetzbarkeit: Ist das Vorhaben als Datenprojekt realistisch machbar? Welche Ressourcen – Zeit, Geld, Know-how – sind nötig? Gibt es Unsicherheiten, und wie kann man produktiv damit umgehen? Das Material führt Schritt für Schritt durch diese Reflexion.
Frage: Ein besonderer Fokus liegt auf dem Umgang mit Unsicherheit. Was ist daran neu?
Johannes Grünecker: Unsicherheit ist bei Datenprojekten ganz normal – selten lässt sich alles im Voraus planen. Wir empfehlen, iterativ zu arbeiten: Also immer wieder innezuhalten, Annahmen zu überprüfen, Feedback einzuholen und die nächsten Schritte anzupassen. Das ist kein Zeichen von Planlosigkeit, sondern ein agiler Ansatz, der hilft, Risiken früh zu erkennen und Ressourcen gezielt einzusetzen. Wir geben dazu einen Leitfaden an die Hand, der zur Selbstreflexion anregt und hilft, blinde Flecken zu vermeiden.
Frage: Wie sollten die Zielgruppen in diesen Prozess eingebunden werden?
Johannes Grünecker: Die Zielgruppe sollte von Anfang an im Mittelpunkt stehen. Sie sollte frühzeitig eingebunden werden, etwa durch Interviews, kleine Umfragen oder Testphasen. Das hilft, die tatsächlichen Bedarfe zu verstehen und Fehlentwicklungen zu vermeiden. Auch im weiteren Verlauf gibt es immer wieder Feedbackschleifen – ähnlich wie im agilen Projektmanagement. Die Zielgruppe muss transparent informiert und aktiv beteiligt werden, damit die Lösung am Ende wirklich genutzt wird.
Frage: Und wie seid Ihr selbst vorgegangen bei der Entwicklung des Ressourcen-Checks? Wie wurde das Material entwickelt und getestet?
Johannes Grünecker: Wir haben den Prozess als Design-Thinking-Projekt über mehrere Monate angelegt: Zuerst wurden Herausforderungen für die Zivilgesellschaft identifiziert, dann konkrete Personas entwickelt und Prototypen erstellt. Diese wurden in zwei halbtägigen Workshops mit dem Team des Civic Data Lab entwickelt und von Fachpersonen, zumeist aus dem Sozialen Bereich, gefeedbackt und im Nachgang Schritt für Schritt weiterentwickelt. Auch die Grafiken und Materialien haben wir mehrfach feedbacken lassen, um sicherzustellen, dass sie verständlich und praxisnah sind – auch und gerade für Menschen ohne Daten- oder Technikkompetenz.
Frage: Am Anfang steht die Projektvision als „Mini-Zeitreise“. Was hat es damit auf sich?
Johannes Grünecker: Die „Mini-Zeitreise“ ist ein Lückentext, mit dem Teams sich vorstellen, wie das Projekt nach einem Jahr aussieht: Was ist konkret entstanden, wie nutzen Menschen das Ergebnis, und was ist der Mehrwert? Das schärft den Blick für das Ziel und hilft, die Kommunikation nach innen und außen zu strukturieren. So entsteht eine klare Orientierung, die im Projektverlauf immer wieder aufgegriffen werden kann.
Frage: Für wen ist der Ressourcen-Check des Civic Data Lab eigentlich gedacht?
Johannes Grünecker: Es richtet sich an Fachpersonen und Organisationen aus der Zivilgesellschaft, die Datenprojekte umsetzen wollen – ganz bewusst auch ohne Vorerfahrung oder technisches Spezialwissen. Die Reflexionshilfe ist so gestaltet, dass sie flexibel genutzt werden kann: Man kann sie komplett durchgehen oder gezielt einzelne Aspekte bearbeiten, je nachdem, was gerade gebraucht wird.
Frage: Was ist dein wichtigster Tipp für Organisationen, die ein Datenprojekt starten wollen?
Johannes Grünecker: Nehmt Euch am Anfang Zeit für die Wirkungsklärung und bindet die Zielgruppe früh ein. Habt keine Angst vor Unsicherheiten – sie sind normal und lassen sich produktiv nutzen, wenn man iterativ arbeitet und offen für Feedback bleibt. Und: Nutzt die vorhandenen Materialien, um Ressourcen realistisch einzuschätzen und das Projekt wirkungsvoll zu gestalten.
Vielen Dank für das Interview.